Outback Marathon 2025

We‘re never gonna survive unless we get a little crazy (Seal 1991)#
Die Australier meiden das Outback. Was sollten sie auch dort? Nur Wüstenlandschaft, keine Civilisation, überall roter Sand und sehr giftige Schlangen sowie Spinnen. Ganz anders viele Deutsche. Für sie ist es ein Lebenstraum mit einem 4WD und dem GPS wochenlang durch das Outback zu cruisen. Meine Frau Evelyn hat das vor vielen Jahren gemacht und mir immer wieder davon erzählt, das hat mich sehr fasziniert. Vor 13 Jahren hat meine Tochter Claudia dann entschieden ihr Leben zukünftig down under zu fristen. Da wusste ich schon, irgendwann bist du auch im Outback! Aber 4WD und GPS ist so garnicht mein Ding. Als ich dann vom Outback Marathon hörte setzte ich den Event sofort auf meine „Bucket List“ (things you want to do before you die). Der Outback Marathon findet jedes Jahr im Juli statt, also wenn Sommerferien in Deutschland sind. Als angestellter Arbeitnehmer ohne schulpflichtige Kinder konnte ich diesen Termin in der Vergangenheit nie realisieren. Aber dieses Jahr, da hat es endlich geklappt. Als ich Claudia den Vorschlag machte mit ihrer Familie und mir ins Outback zu fliegen sagte sie: toll, da mache ich mit, du den ganzen Marathon und ich den Halbmarathon.
So packte ich kurz nach meinem 71. Geburtstag die Koffer und flog, mittlerweile zum 6. Mal, zu meiner Familie nach Sydney. Zuvor zeigte mir Evelyn, um mich für die große Unternehmung noch mehr zu motivieren die pittoresken Fotos von ihrer Fahrt durch das Outback. Kann also niemand sagen ich hätte nicht gewusst auf was ich mich da eingelassen habe.
In Sydney war tiefster Winter. Heißt, ich bin fast jeden Tag bei ca. 15 Grad in kurzen Hosen zum Schwimmtraining geradelt. Hier gibt es an jeder 2. Ecke ein Schwimmbad, die sind alle super gepflegt, fast immer hat man in den 50 Meter Becken eine Bahn für sich alleine. Traumbedingungen für das Schwimmtraining.
Der Outback Marathon ist eine kleine, man könnte auch sagen elitäre Veranstaltung. Neben dem (Halb) -Marathon werden auch noch 6 km für Kinder und 11 km angeboten. Aber mehr als 500 Teilnehmer über die 4 Wettbewerbe dürfen nicht mitmachen; Ich glaube ich habe meinen Startplatz als Quotengrufti erhalten.
Der Start im Morgengrauen war extrem eindrucksvoll: Mitten in der Wüste waren Zelte für uns aufgeschlagen worden. In der Ferne sah man wie die ersten Sonnenstrahlen den Ayers Rock (die Aborigines sagen dazu Uluru) beleuchten (siehe Videos unten). Alle waren freundlich, alle waren total entspannt (außer mir), das Ganze hatte mehr den Anschein eines Familienfestes denn eines harten Wettkampfes.
Aber, gleich nach dem Startschuss wurde das Problem dieses Laufes offensichtlich: der Boden ! Der rote Sand war teilweise so weich und tief, dass ich mich an die Vorbereitungsläufe am Strand von Zandvoort erinnert fühlte (siehe Video unten), und wenn er dann doch mal hart war hatte er lauter kleine Wellen und Unebenheiten, man eierte beim Laufen nur so herum. An eine gute Zeit zu denken – Fehlanzeige. Ich würde heute nach 5:15 h finishen; ich erinnerte mich beim Laufen an meinen allerbesten Marathon als Student mit 23 Jahren im Bienwald bei Karlsruhe: durchgehend auf Asphalt, den hatte ich in 3 h und 3 Minuten nach Hause gebracht.
Dafür eine unsagbar schöne Landschaft. Ich liebe Wüstenlandschaften und das durfte ich heute dann mal richtig auskosten. Und in der Ferne immer der Uluru, als ob er über uns wachen würde.
Ich lief also mit Claudia erst mal ganz locker los, schon bald waren wir alleine in der Wüste. Nur ab und zu Läufer, die uns bereits auf dem Rückweg befindend entgegen kamen. Ca. bei Kilometer 13 fing Claudia völlig unvermittelt an auf ihrem Handy zu texten. Was schreibst du denn da frug ich neugierig? Ich schreibe Mitch (ihr Ehemann), dass ich mich unentschlossen habe: ich laufe mit dir den ganzen Marathon. Ich bekam erst einmal Schnappatmung. Das Mädchen hat noch nicht einmal vor 12 Monaten entbunden, hat das Mindeste trainiert um wenigstens einen Halbmarathon körperlich durchzustehen und will jetzt einen Ganzen machen, es wäre ihr erster Marathon. Und mal abgesehen von der körperlichen Vorbereitung. Ich glaube wer einen Marathon, und dazu noch unter diesen Bedingungen durchstehen wil, braucht mentale Stärke und muss sich vom Kopf darauf einstellen.
Wer kann schon, wenn er 21 km laufen will, plötzlich das doppelte machen? Mit einem Klos im Hals antwortete ich also: das freut mich aber.
Wir liefen weiter. Bei km 25 spürte ich erste Ermüdungs-Erscheinungen, Claudia war eher gelangweilt. Ich solle ihr doch aus meinem Leben erzählen um sie zu unterhalten. Mit müdem Körper und Endorhin durchströmtem Gehirn erzählt man dann als Vater seinem Kind Dinge die man sonst ganz sicher nicht ausplaudern würde, ich glaube Claudia war richtig gut unterhalten.
Bei Kilometer 30 kam dann die berühmte Wand. Aber nur für mich, ich musste jetzt kämpfen, Töchterchen klagte zwar schmerzhafte Beine, lief dabei aber nach wie vor ganz locker. Kilometer 34 und Kilometer 38 musste ich eine Gehpause einlegen, alleine wäre Töchterchen 20 Minuten eher im Ziel gewesen. Schon 300 Meter vor dem Zieleinlauf kamen uns die beiden älteren Kinder ganz aufgeregt entgegengerannt und so liefen wir vier gemeinsam über die Ziellinie. Glücklich, beseelt, begeistert von der Schönheit der Landschaft und völlig erschöpft. Das Ergebniss: völlig egal, Hauptsache die Finisher-Medaille.
Auf dem Flughafen beim Abflug nach Sydney hatte ich übrigens einen großen kräftigen Mann gesehen, er trug ein dunkelblaues T-Shirt. Darauf stand in weißer Schrift: Finisher Antarktis Marathon 2023 …
we‘re never gonna survive unless we get a little crazy.

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