Granada in Mai 2024

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Natürlich habe ich mir für den letzten Tag im „Trainingslager“ was besonderes aufgehoben: von Granada aus auf die Sierra Nevada.

Alleine schon in Granada zu sein, was für Erinnerungen an die Stadt in der ich Anfang 20 ein Jahr lang leben durfte. Es war mein erstes Jahr als Student, nach der ungeliebten Schulzeit, dem harten Dienst bei der Bundeswehr, einer total autoritären Erziehung und einer strengen römisch-katholischen Prägung. Hier in Granada war ich zum ersten Mal in meinem Leben selbstbestimmt und frei. Schnell hatte ich spanische Freunde gefunden. Jeden Abend zogen wir um die Häuser. Meist zum „Plaza de Principe“. Dort gibt es zahlreiche Bars. Der Andalusier geht dort hin, um seine Sorgen zu erzählen. Aber nicht einem Nachbar am Tresen, sondern allen die in der Bar sind, in Form eines Sprech-Gesangs, Flamenco eben (die Hipp-Hopp Bewegung hat das wohl nachgemacht, allerdings in einer aggressiven und provozierenden Art, nicht der traurig melancholischen des eigentlichen Flamencos). Alle hören zu, klatschen im typischen Flamenco Takt dazu oder hauen mit ihren Absätzen im Takt auf den Boden. Wie oft hatte ich dabei Gänsehaut pur. Das ist Flamenco, das ist echt. Das ist kein für die Touristen aufgebauschtes Verkaufsprodukt.

Die Sierra Nevada präsentiert sich heute von ihrer besten Seite: 23 Grad, blauer Himmel und die Spitze des Veletas 3500 Meter ü.d.M. schneebedeckt was ich schon vom Auto aus lange vor Granada bestaunen durfte. Man kann hier morgens Ski fahren und nachmittags im Mittelmeer baden. Wo sonst gibt es soetwas.

Ich radle los, mein Ziel heute zumindest bis zum Skidorf auf 2065 m.ü.M. Ich winde mich langsam den Berg hoch, schaue zurück auf Granada das immer kleiner wird und genieße das spektakuläre Bergpanorama. Hier bin ich schon oft hochgefahren, fast kenne ich jede Kurve. Erneut erinnere ich mich an mein Jahr in Granada und meine erste Fahrt hierhoch. Ich wurde damals Mitglied im „Club cyclismo Granadino“ (habe heute noch das Vereinstrikot). Wir trafen uns an einem Sonntag morgen um 9:00. Natürlich hatte ich bis spät Samstag nachts auf den Tischen getanzt und ging völlig verkatert an den Start. Und es geschah was geschehen musste: nach und nach überholten mich alle, selbst die ältesten die nur noch einmal ihre schicken Räder zur Schau stellen wollten. Schon bei 1200 m.ü.M. musste ich damals aufgeben, wie peinlich – el aleman. Zum Glück geht es zurück nur bergab, mehr wäre an dem Tag nicht gegangen.

Aber heute, da fühle ich mich wohl, was mich etwas überrascht nach ca. 800 k mit 5000 HM auf dem Rad in den letzten 12 Tagen. Aber mein körperliches Wohlgefühl wird heute durch eine niederschmetternde Gegebenheit psychisch gemindert: offensichtlich haben die Profirennställe die Sierra als ideale Trainingsstätte auserkoren. So trainieren hier u.a. heute das Team Astana und Lidl/Trek. Besonders das letztere ist verblüffend, die haben seit Monaten keine Trainingseinheiten mehr hochgeladen, fahren hier sozusagen heimlich.

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Und eben diese Profis fahren an mir ständig vorbei, ich glaube die merken garnicht, dass es steil bergauf geht. Während ich nach Luft schnappe schnurren die, sich lebhaft unterhaltend, in einem Affenzahn an mir vorbei, einige die alleine fahren singen oder telefonieren angeregt mit dem Handy. Noch schlimmer würde es später auf dem Rückweg werden: während ich mit aller Kraft die Bremsen ziehe hauen die selbst bei 10% Abfahrt voll in die Pedale als gäbe es kein Morgen.

Ich fahre an der 1750 Höhenmarke vorbei und denke, wenigstens bis hierher hab ich’s heute geschafft. Jetzt wird die Luft dünner. Deshalb trainieren auch die Profis hier, sie wollen durch den Sauerstoff Mangel ihr Erythrozytenvolumen erhöhen.

Endlich ist mein eigentliches Tagesziel erreicht, das Skidorf auf 2065 m.ü. M. Ich wechsle mein völlig nass geschwitztes Trikot denn hier oben wird es frisch, trinke 1 L Wasser und 2 Dosen Cola und esse Nüsse. Nach 20 Minuten Pause beginne ich zu nachzudenken: zurückfahren oder weiter hoch, noch 7 k und 500 HM bis zur Schranke. Ab dort dürfen keine Autos mehr weiter. Naja, ein paar Körner hab ich noch, also weiter. Aber es wird unheimlich hart: mein Puls ist jetzt ständig zwischen 150 und 160, die Lungen brennen und die Luft hier oben hat einfach keinen Sauerstoff mehr. Ich denke an SIA‘ s Lied „Unstoppable“ und trete weiter in die Pedale so gut es eben geht. Meine Trittfrequenz ist jetzt bei 60 (normal 85-90), mehr geht nicht. Als ich nach der letzten Kurve die Schranke in 2550 m.ü.M. sehe bin ich total ausgelaugt, erschöpft aber stolz wie Oscar.

Hier werde ich in 2 Monaten wieder stehen. Aber dann soll es weiter gehen. Die Straße ist zwar für Autos ab hier gesperrt, geht aber weiter, bis auf die Spitze des Veletas in 3500 Metern. Hier dürfen nur noch Schneetraktoren im Winter fahren damit die Skifahrer ihr Vergnügen haben können. Das schwierigste wird dabei auf der nicht befestigten Straße der Wind und am 11.7.24 natürlich die Hitze. Das will ich dann aber nicht alleine machen, da brauche ich dann einen Profi an meiner Seite.

Stephan Petrasch

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Ironman Brazil 2023

Sieger2023-M65

Unsere langjähriger Zeitfahrteilnehmer Stephan Petrasch berichtet hier von seinem Abenteuer in Brasilien

IN DER NASSEN IRONMAN HÖLLE von „Do BRAZIL“

Wer mich kennt weiß: nein, diese Gelegenheit würde ich mir nicht entgehen lassen: Sohn Wolfgang ist für 1 Jahr in Brasilien und ich war noch nie in Südamerika – also Koffer packen und ab nach Rio. Und, dass so eine Reise nicht ohne eine IRONMAN-Teilnahme geht ist ja wohl auch selbstverständlich. So sind wir beide nach einigen Tagen in Rio gemeinsam nach Florianopolis geflogen, ca. 1000k südlich von Rio, dem Wettkampfort.
Der IM hier in Brasilien ist ein Erlebnis schon bevor es los geht. Die Leute sind total euphorisch und begeistert. Viel kommen in großen Teams, man hat den Eindruck die kennen sich alle. Die freuen sich einfach nur und feiern das Ereignis. Nur ganz wenige Ausländer, ich bin einer von 3 Deutschen und selbst aus Spanien/Portugal kommen nur 3 Teilnehmer. Und die Leute sind so herzlich man fühlt sich total willkommen, und sie wollen alles über dich wissen; allerdings klappt es für mich mit der Verständigung nicht, hier kann kaum jemand Englisch und nur wenige Spanisch. Zum Glück regelt dann mein Sohn alles der mittlerweile fliesend Portugisisch spricht.
In den Tagen vor dem IM hatte ich die Ruhe, mich mental auf den Wettkampf und das Durchhalten einzustellen. Ich glaube der Song von SIA „Unstoppable“ hab ich mir 100 Mal angehört. Wie wichtig das werden würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

Natürlich kam Wolfgang zum Schwimmstart mit. Und natürlich schlug die euphorische Stimmung der Südamerikaner auf uns über. Einfach immer wieder Gänsehaut die Stimmung vor dem Start, wenn knapp 2000 Sportler, alle mit grünen Bademützen und schwarzem Neo am Rande des Atlantik stehen und heisse Rhythmen peitschen aus den Lautsprecherboxen. Ich will es kurz machen: nach 1:19 h und 3,8 k steige ich aus dem Wasser – meine beste Schwimmzeit bei einem IM ever. Dass ich so eine Zeit jemals schwimmen würde, hätte ich nie gedacht. Ich denke sooft daran zurück, wie Tanja beim DSV mir im zarten Alter von 55 Jahren das Kraulen beigebracht hat. Leicht hatte sie es mit mir nicht …. und jetzt 1:19 h !!! Ich war so elektrisiert als ich die Zeit auf meiner GPS Uhr sah, dass ich ganz vergessen habe, den Timer auf Wechselzone 1 umzustellen.

Kurz nach dem Schwimmausstieg fing es an leicht zu nieseln. Ein Monat lang war es hier 25 Grad bei strahlendem Sonnenschein gewesen, und jetzt Regen. In der Ausschreibung stand: flache Rad-Strecke auf der gesperrten Autobahn: ein Traum für Triathleten !!! Doch dieser Traum wurde zum Alptraum. Gesperrt war die Autobahn, ja. Aber auf jeder Seite nur ein Fahrstreifen für die Radfahrer, getrennt vom Autoverkehr nur durch Pylonen. Für mich war das Harakiri pur. Unaufhörlich rasten die Autos mit +120 km/h direkt an uns vorbei. Aber nicht über ein Teilstück von 5 k, nein, die ganzen 180 k lang. Das geringste Übel daran war noch der ohrenbetäubende Lärm, den wir 180 k lang zu ertragen hatten. Wie die Verwaltungen in Brasielien soetwas genehmigen können ist mir schleierhaft. Auf dem Rückweg lag jede 3. Pylone umgefahren irgendwo mitten auf der Fahrbahn. Man will sich garnicht vorstellen wenn …. Dazu kommt: mittlerweile hatte es sich richtig eingeregnet, es hörte gar nicht mehr auf. Bald hatten sich Aquaplaning schwangere Pfützen gebildet durch die wir radeln mussten, und noch schlimmer, mit dem Wasser bespritzten uns die vorbeifahrenden Autos von oben bis unten, was für ein Horror. Auch die Temperaturen waren mittlerweile auf 16 Grad gesunken und ich bin nun mal sehr Kälte-empfindlich geworden. Irgendwann begann ich, vor Kälte zu zittern was zur Folge hatte, dass mein Lenkrad hin und her wackelte. Meine „Tour de France“ erprobte Regenjacke hatte ich zu Hause gelassen – es sollte ja nach Brasilien gehen. Und die angekündigte flache Strecke? Autobahn ist halt Autobahn und da wird der Berg nicht abgetragen wenn sie gebaut wird. Insgesamt 1200 HM standen auf der Garmin nach den 180 k. Und jetzt stellt man sich einmal vor: ich stehe oben vor einer steilen Abfahrt, das Wasser läuft den Asphalt herunter, links und rechts rasen die Autos vorbei und mein Lenker wackelt weil ich vor Kälte zittere. Ohne Scheibenbremsen wäre ich spätestens hier abgestiegen. Ich sage es ehrlich, es waren ja zwei Runden a 90 k. Als ich kurze vor dem Wendepunkt war, war ich mir sicher – ich breche ab, das halte ich nicht noch einmal 90 k durch.
Vereinbart war mit Sohnemann, dass er nach dem Schwimmen erst wieder zum Laufen an der Strecke steht. Doch plötzlich stand er da, am Wendepunkt der Radstrecke. Triefend nass, und feierte mich begeistert. Soll ich jetzt diesen Jungen enttäuschen der sich so freut seinem Vater beim Durchhalten zu helfen. Nein, das bringe ich nicht über das Herz, das kann ich nicht. Also drehe ich am Wendepunkt und mache mich auf die zweiten 90 Horror- Kilometer.
Ich hatte im Vorfeld des Wettkampfes viel trainiert und auch gut trainiert, der Trainer hat mir da schon einen klug ausgeklügelten Plan geschrieben.

In Wechselzone 2 fühlte ich mich gar nicht so kaputt wie sonst, nur die Oberschenkel waren steif gefahren. Aber zum Laufen braucht man ja keine Kraft. Wolfgang teilte mir beim loslaufen mit: Du bist 7. aber Platz 5 und 6 haben 45 Minuten Vorsprung. Gemeldet waren in meiner AK 17 Teilnehmer, gestartet sind 15. Ich wusste auch, dass bei diesem IM die ersten 5 jeder AK auf das Podium kommen. So lief ich los. Ziel war: bis 21 k laufen, wenn es dann nicht mehr geht schnell gehen, das reicht für das Finish im vorgegebenen Zeitlimit. Natürlich stand mein Sohn bei k 21 k … und hatte die Zwischenstände über den IM Tracker vermittelt parat: du bist schon sechster und nur 13 Minuten vor Platz 5, die scheinen alle schon zu gehen. Jeder der nur einmal einen kleinen Volkslauf absolviert hat weiß, was für eine psychologische Wirkung so eine Aussage hat: sollte ich wirklich bei meinem allerletzten IM in M65 noch einmal auf das Podium kommen? In den ersten beiden Jahren dieser AK ist mir das zweimal gelungen aber dann wurden die „Jüngeren“ in meiner age group für mich zu schnell. Und jetzt das.
Was begann war ein gnadenloser Kampf gegen mich selbst: Lauf das Ding durch, don‘t walk – run, das war jetzt die Devise ! SIA: Im so confident, I am a Porsche without brakes, tonight I am unstoppable. Immer wieder wartetet Wolfgang auf mich und rief mir zu: Lauf durch, nicht gehen. Als ich in die letzte von 4 Runden kam verabschiedete er sich von mir: See you at the finish line. Doch ein paar Häuserblocks weiter stand er heimlich an einer Hausecke. Als ich ihn entdeckte frug ich: was machst du denn hier. Seine Antwort: wollte nur kontrollieren, dass du auch rennst. Bitte, wie soll man denn da gehen – bin bis ins Ziel durchgelaufen. Ich bin dir unendlich dankbar Sohn. Heute morgen habe ich meinen Pokal für den 5. Platz bekommen, der ist für die Ewigkeit, den will ich eines Tages mit in mein Grab nehmen.

StephanPetrasch2023

Erlaubt mir zum Schuss ein paar Worte des Dankes. In erster Linie meiner Frau, dass sie mir den Raum lässt diesen zeitaufwendigen Sport zu betreiben. Sie hatte natürlich gedacht wenn ich nach den langen Jahren im Beruf nur noch 20 h/Woche arbeite (manchmal sind es dann doch immer noch erheblich mehr) hätte ich viel Zeit für uns…..
Meinem Trainer Christian, der mich einmal mehr strategisch optimal gebrieft hat (und diesmal hab ich mich auch wirklich daran gehalten). Meinen Kindern die bei meinem Sport so mitfiebern. Während des gestrigen Wettkampfs wurden auf unserer gemeinsamen Watt‘s App Gruppe zwischen Sydney, Essen und Florianopolis sage und schreibe 230 Nachrichten verschickt, garniert mit zahlreichen Videosequenzen die Wolfgang während des Rennens aufgenommen hatte.
Aber mein Dank gilt auch allen andern die mitfiebern, über den IM Tracker oder wie auch immer. Ihr wisst ja gar nicht wie das Bewusstsein darüber mir Motivation gibt weiterzumachen und nicht abzubrechen.
Ach ja, in der Ak M Grufti, also M 70, der ich nächstes Jahr angehöre, sind hier in Brasilien auch 3 Triathleten gestartet. Keiner hat es gestern ins Ziel geschafft. Andererseits unglaublich: der einzige Starter in M75 war 25 Minuten vor mir ihm Ziel.
Und so verrückt es auch klingen mag: ich freue mich wahnsinnig auf nächstes Jahr, auf M70 !

Stephan Petrasch

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